Donnerstag, 22. September 2011

15. Sonntag n. Pfingsten - Introitus: Inclina Domine

Dominica XV post Pentecosten

Psalm 85,  aus 1-3:
Herr, neige dein Ohr zu mir und erhöre mich:
errette Deinen Diener, der auf dich hofft, mein Gott.
Erbarm Dich meiner o Herr, ich rufe zu Dir den ganzen Tag.
Ps. (85, 4): Mach froh die Seele Deines Knechtes;
denn zu Dir, o Herr, erhebe ich meine Seele.
V.: Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, 
wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.


Zum Anhören des Gesangs von St. Rene Goupil bitte HIER klicken.

Der Gesang beginnt mit einer oft vorkommenden Anfangsmelodie, die charakteristisch ist für den dorischen Modus, siehe z.B. den Introitus "Rorate super de coeli" vom 4. Adventssonntag. 

Entsprechend der flehenden Grundstimmung des Psalms 85 werden die Töne auf "Domine", der Anrufung des Herrn in absteigender Melodie gedehnt. 


 (Inclina) aurem tuam ad me - wende dein Ohr mir zu - umspielt den Tenorton und erfleht die Zuwendung letztlich im ebenfalls gedehnten Binnenschluss "ad me", bevor der Gesang wieder zum Grundton zurückgeführt wird mit der Bitte "exaudi me" (erhöre mich).

Salvum fac servum tuum - in der Bitte errettet zu werden bewegt sich der Gesang wie in demütiger Haltung überwiegend unterhalb des Tenortons. Erst in der folgenden Anrufung des Herrn und dem Ausdruck der Hoffnung des Beters auf seinen Gott erhebt sich die Melodie kurz über den Tenor hinaus - Deus meus, sperantem in te. 

Vor allem bei "sperantem" - hoffend - ist eine sehr schöne, ebenmäßige musikalische Wendung zu hören. Ein Quilisma in der Mitte, umrahmt von je einem Pes (die Namen der entsprechenden Neumen) links und rechts, die beide gedehnt erklingen. Diese auf den ersten Blick unscheinbare Figur ist die Mitte des Gesang, vom Komponisten hervorgehoben, der wahre Antrieb des Beters: die Hoffnung auf den Herrn.



Miserere mihi Domine - Erneut beugt der Gesang sein Haupt, das Erbarmen des Herrn erbittend, um schliesslich endgültig auf die Knie zu fallen - quoniam ad te clamavi tota die (weil ich zu Dir rufe den ganzen Tag). 


Hier verlässt der Gesang den regulären Tonraum des ersten Tons (Dorisch) und wechselt in Tonlage des zweiten Tons (Hypodorisch). 
Was für sich alleine ein Zufall sein könnte gewinnt an Bedeutung dadurch, dass dieser Kunstgriff auch im folgenden Propriumsgesang, im Graduale "Bonum est" angewandt wird zu Beginn (siehe entspr. Post zum 15. So. n. Pfingsten)
Warum kann ich hier einen Kniefall interpretieren?
Der Gregoriranische Choral ist vom Wesen her eine einfache Musik. Er will nicht verbergen, verklausulieren, sondern seine Anliegen frei zugänglich vortragen. Die Gesänge sind nicht lose zusammengestellt, sondern aufeinander abgestimmt, entsprechend ihrer Intention, nicht irgendeine musikalische Begleitung der Liturgie, sondern selbst gesungenes Gebet, gesungene Liturgie
zu sein. Das musikalische "Niederknien" mag überinterpretiert wirken, aber ich denke nicht, dass ich damit allzuweit von der Intention des Komponisten entfernt bin.

Gesanglich ist dieses "quoniam ad te" relativ anspruchsvoll. Die Schola muss hier Zurückhaltung üben, darf die Töne nicht durch zuviel Bruststimme hervorpressen. Ich lass diese Stelle aus diesem Grund sehr flüssig, leicht beschleunigt singen um den Druck wegzunehmen. Zusätzlich achte ich darauf, dass bei den tiefen Tönen durchgängig eine "helle" Vokalaussprache erfolgt. 
Am Schluss des Introitus wird das Tempo wieder leicht zurückgenommen, der Gesang würdevoll ausklingen lassen, symbolisch im Sinne des Textes - tota die (den ganzen Tag). 

just my 2 cents...

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